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Zum 70. Jahrestag des jüdischen Aufstandes im Warschauer Ghetto 1943

Pressemitteilung 17. April 2013

Erinnerung an die vergessene jüdische Tänzerin Andziula Tagelicht – Briefe aus dem Warschauer Ghetto an die Bauhaus-Freundin Karola Bloch

 

Als „Symbol für die Würde des Menschen“ hatte Karola Bloch, Polin und Antifaschistin, den Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto am 19. April 1943 bezeichnet. Wochenlang verzögerten die Aufständischen die Abtransporte von Menschen in das Vernichtungslager Treblinka. Am 16. Mai beendeten die Nationalsozialisten den Selbstbefreiungsversuch der Internierten durch die vollständige Zerstörung des Ghettos und seiner Bewohner. Nur wenige überlebten.

Andziula Tagelicht war eine jüdische Tänzerin, die von den Nationalsozialistin vor siebzig Jahren ins Warschauer Ghetto verschleppt und später im KZ Treblinka ermordet wurde.

Die Schülerin der bekannten Dresdner Tanzmeisterin Mary Wigman war die Schwägerin der Architektin und Widerstandskämpferin Karola Bloch. Während der Bauhaus-Schülerin der Weg in das amerikanische Exil gelang, wurde Andziula Tagelicht mit Mann und Kind zuerst ins Ghetto „Litzmannstadt“ und dann nach Warschau verbracht.

Ergreifende Dokumente aus den Jahren 1941 und 1942 hat der Talheimer Verlag in einem Buch veröffentlicht. Es handelt sich um die verzweifelten Bemühungen der Architektin und Bauhausschülerin Karola Bloch von ihrem Exilort Amerika aus, ihre Familienangehörigen aus dem Warschauer Ghetto zu retten. Fünfzehn Schriftstücke sind Zeugnisse für ein dramatisches Scheitern. Die Eltern und der Bruder werden 1942 und 1943 in Treblinka ermordet. Zusammen mit anderen Texten von Karola Bloch und zahlreichen Aufsätzen über sie stellte der Talheimer Verlag den Band „Karola Bloch – Architektin, Sozialistin, Freundin“ vor.

Dreißig Berufsjahre wirkte die Architektin und Bauhaus-Schülerin Karola Bloch in Wien, Paris, Prag, New York, Leipzig. Der Band will gerade auch das Berufsprofil einer gesellschaftlich aktiven Frau herausarbeiten, die in Deutschland lange im Schatten des Werkes ihres Mannes, des Philosophen Ernst Bloch, stand.

Karola Bloch (1905-1994) war Schülerin von Hans Poelzig und Bruno Taut. Sie arbeitete bei Auguste Perret und wirkte in dem größten Architekturunternehmen der USA. Die Architektin war mit dem Bauhaus-Meister Xanti Schawinsky und Hannes Meyer, dem Direktor des Bauhauses Dessau freundschaftlich verbunden. Von 1949 bis 1956 war sie in der DDR tätig, bevor ihr dort die SED das Arbeiten verbot.

Die Kunst und der Dialog mit den Künstlern lag der Polin, Jüdin, Antifaschistin und Architektin Karola Bloch ebenso besonders am Herzen. Ausführlich korrespondierte sie mit dem in der DDR lange missachteten Kunstschaffenden Carlfriedrich Claus (1930-1998) aus Annaberg. Er hatte sich vorgenommen, seine Kunst mit dem philosophischen Werk Ernst Blochs zu verbinden. Nun wird endlich die Brieffreundschaft zwischen Carlfriedrich Claus und Karola Bloch sichtbar. Erstmals wird die Korrespondenz beschrieben und ausführlich zitiert.

Zu einem weiteren Künstler hielt Karola Bloch Kontakt: zu Ludwig Meidner (1884-1966). Den heute anerkannten Maler lernte Karola Bloch in ihrem neunzehnten Lebensjahr kennen. Er porträtierte sie und hielt somit das Gesicht einer jungen Frau des Jahres 1924 kennen. 1960 zeichnete er die dann 55jährige noch einmal. Nun enthielt das Gesicht die Leiden der Emigration. Heute werden diese Zeichnungen erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Das Buch „Karola Bloch – Architektin, Sozialistin, Freundin“ (herausgegeben von Irene Scherer und Welf Schröter) ist das Ergebnis einer langjährigen Recherche und Textzusammenstellung. Mehrere Werktexte der Architektin werden nach 50 Jahren erstmals wieder zugänglich gemacht.

Angaben zum Buch:

Irene Scherer, Welf Schroeter (Hg.): Karola Bloch – Architektin, Sozialistin, Freundin. Eine Neuentdeckung des Wirkens der Bauhaus-Schülerin

2010, 392 Seiten, br., 44,00 EUR, ISBN 978-3-89376-073-2 (Darin der Aufsatz von Welf Schroeter „Karola Bloch und das Trauma der Ermordung ihrer Familie – Briefe aus dem Warschauer Ghetto“)