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Dem Widerstand gegen Hitler wird die Legitimität abgesprochen

Pressemitteilung vom 16. Januar 2013

Bizarrer öffentlicher Streit über „Achtzig Jahre Mössinger Generalstreik 1933 gegen Hitler“

 

Im Vorfeld des achtzigsten Jahrestages des einzigartigen „Mössinger Generalstreikes“ am 31. Januar 1933 gegen die Machtübergabe an Hitler ist in der schwäbischen Stadt erneut ein bizarrer Streit ausgebrochen. Während Wissenschaft und Fachexpertise, überregionale Politik und die große Mehrheit der Bürgerschaft stolz darauf sind, dass damals in dem kleinen Ort eine der ersten Widerstandsaktionen gegen das NS-Regime stattfand, meldet sich das alte Denken des Kalten Krieges des letzten Jahrhunderts zurück. In streng antikommunistischer Weise wird von einer Minderheit dem Widerstand gegen Hitler die Legitimität abgesprochen. Achtzig Jahre nach dem einzigen Generalstreik 1933 gegen Hitler quält sich die Stadt Mössingen noch immer mit dem Für und Wider der Erinnerungsarbeit.

Dürfen und sollen Liberale, Christdemokraten, Sozialdemokraten, Katholiken und Protestanten an einen Aufstand gegen Hitler erinnern, der von Kommunisten initiiert wurde? „Nein“ sagen Mitglieder der Freien Wähler Mössingens, denn Kommunismus führe in Stalins Lager und in den DDR-Stacheldraht. „Ja“ sagt die Mehrheit der zwanzigtausend Einwohnerstadt Mössingen in Baden-Württemberg, denn wer als einfacher Arbeiter am 31. Januar 1933 gegen Hitler die Arbeit niederlegte, Gesicht zeigend demonstrierte und seine Haft und berufliche Existenz riskierte, der offenbarte Mut und Zivilcourage. Für die Würdigung und Ehrung der damaligen Generalstreiker haben sich zivilgesellschaftliche Gruppen zusammengefunden. Eine Serie von Veranstaltungen ruft auf zur Erinnerungsarbeit für Verantwortung heute. Das Programmheft veranschaulicht die thematische Breite der heutigen Diskussion. Der Talheimer Verlag unterstützt diesen demokratischen Impuls.

Aus Protest gegen die Machtübergabe an Hitler legten am 31. Januar 1933 mehrere hundert Textilarbeiter in Mössingen ihre Arbeit nieder, streikten und demonstrierten gegen die nahende Diktatur. Wenige Monate vor den 80. Jahrestag im Januar 2013 löst der soeben im Talheimer Verlag erschienene Band über den Mössinger Generalstreik heftige öffentliche Diskussionen aus. Mit dem vorgelegten 360 Seiten umfassenden und stark bebilderten Buch rückt der Verlag die Generalstreikenden ins Licht und unterstreicht deren legitimen Widerstand gegen ein verbrecherisches NS-Regime.

„Da ist nirgends nichts gewesen außer hier“ – so resümiert eine Mössingerin ihre Erzählung über die Ereignisse an jenem 31. Januar 1933, als die Arbeiterbewegung ihres Heimatorts den Generalstreik gegen die tags zuvor eingesetzte Hitlerregierung durchzuführen versuchte. Zwischen 600 und 800 Demonstranten sollen es gewesen sein, die im damals etwa 4.000 Einwohner zählenden Arbeiterbauerndorf Mössingen durch die Straßen und vor die Fabriken zogen. Es gelang ihnen, zwei der größten Betriebe am Ort stillzulegen, doch nach kurzer Zeit wird der „Mössinger Aufstand“ – wie ihn viele der damals Beteiligten nennen – durch massiven Polizeieinsatz abgebrochen. 80 Personen aus Mössingen und seinen Nachbargemeinden sind es dann, die für diesen vergeblichen Versuch, Terror und Krieg für Deutschland und Europa abzuwenden, ins Gefängnis kommen – die meisten für einige Monate, manche für mehrere Jahre.

Vor knapp dreißig Jahren erschien endlich die erste Textsammlung und Dokumentation dieses außergewöhnlichen Ereignisses in Mössingen. Der Talheimer Verlag sowie Hermann Berner und Bernd-Jürgen Warneken, die Herausgeber des Bandes „Da ist nirgends nichts gewesen außer hier! – Der Mössinger Generalstreik gegen Hitler“, widmen diese ergänzte und erweiterte Neuausgabe dem letzten Überlebenden der ehemaligen Generalstreiker, der im Alter von fast 102 Jahren im Januar 2010 gestorben ist: „Jakob Textor zu Ehren“. Jakob Textor war beim Generalstreik dabei und hatte durch viele öffentliche sowie nächtliche Aktionen vor dem Na¬tionalsozialismus gewarnt.

Bernd Jürgen Warneken, Hermann Berner (Hg.): Da ist nirgends nichts gewesen außer hier. Das „rote Mössingen“ im Generalstreik gegen Hitler. Geschichte eines schwäbischen Arbeiterdorfes. Jakob Textor zu Ehren

Gemeinschaftliche Autorenschaft des wissenschaftlichen Werkes von Hans-Joachim Althaus, Friedrich Bross, Gertrud Döffinger, Hubert Flaig, Karlheinz Geppert, Wolfgang Kaschuba, Carola Lipp, Karl-Heinz Rueß, Martin Scharfe, Bernd Jürgen Warneken. Mit einem neuen Vorwort von Bernd Jürgen Warneken, einem wirkungsgeschichtlichen Nachwort von Hermann Berner sowie Beiträgen von Jürgen Wertheimer, Irene Scherer und Welf Schröter

Mössingen 2012, 360 Seiten, mit mehr als 200 zum Teil bislang unveröffentlichten Abbildungen, 32,00 Euro, ISBN 978-3-89376-140-1