Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Anne Frommann
Zum 22. Januar 1990
Jürgen Teller
Die große alte Dame der Linken
Walter Jens
Sozialistin in widrigen Zeiten
Nina Ranalter
Identität
Nina Ranalter
terrain vague
Nina Ranalter
Ostberlin
Nina Ranalter
gabán de invierno
Inge Jens
Ad multos annos
Jan Robert Bloch
Abschied von der Utopie?
Reymondo Tigre Perez
Karinsini Karola Bloch
Margarita Pastene
Ein Lied für Karola
Gajo Petrovic
Gruß an Karola
Burghart Schmidt
Vom Ungetüm der Kunst am Bau
Wolfram Burisch
Der unablässige Kampf um Kontinuität
Anna Cunico-Czajka
Karola, Freundin;
Peter Grohmann
Für Karola Bloch
Peter Grohmann
Der Nationalsozialismus
Peter Grohmann
11. April 1968
Anne Frommann
Hilfe zur Selbsthilfe
Im Gespräch mit Karola Bloch
Utopie ist etwas Wirkliches
Gretchen Dutschke-Klotz
Eine große Verwandtheit
Anhang
Karola Bloch
Meine Arbeit als Architektin
Karola Bloch
Die Wohnung
Karola Bloch
Die Frau als Architektin
Karola Bloch
Ein Blick nach Polen
Rudi-Dutschke-Kreis
Karola Bloch
Gegen den Staatsstreich
Karola Bloch-Piotrkowska wurde am 22.1.1905 in Lodz/Polen geboren. Den ersten Wettkrieg verbrachte sie mit ihrer Familie in Moskau, erlebte dort als 12jährige die Russische Revolution. 1918 kehrte sie nach Lodz zurück, wo ihr Vater eine Textilfabrik besaß. 1921 übersiedelte die Familie nach Berlin. Dort erlernte Karola Piotrkowska erst den Beruf einer Kunstgewerblerin, dann studierte sie Architektur an der Technischen Hochschule in Charlottenburg. Seit 1929 war sie mit Ernst Bloch befreundet. Sie ging 1933 nach Zürich, wo sie 1934 an der Eidgenössischen Technischen Hochschule ihr Diplom als Architektin erhielt. 1934 heiratete sie Ernst Bloch und emigrierte mit ihm nach Wien, Paris, Prag und den USA. In der Emigration arbeitete sie als Architektin. 1949 kehrten Blochs nach Deutschland zurück und lebten in Leipzig bis 1961. Nach erfolgtem Berufs- und Publikationsverbot verließen sie 1961 dir DDR und verlegten ihren Wohnsitz nach Tübingen.
„Wir feiern in stark bewegter Zeit, zwischen Ausbrüchen von ganzen Gesellschaften, Aufbrüchen und Umgestaltungen, die Desillusionierung bedeuten und neue alte Hoffnungen tragen. Für Dich, die Du keine oder wenig Lebensangst kennst, ist die Bewegung ein besonderes Geschenk, weil sie – anders als der scheinbar leblose Januar der Natur – ‚es nicht bei sich selber aushält‘, sondern weiter will, ungeachtet der manchmal fehlenden eigenen Kräfte sogar. Von der Jugend, die Du neidlos in Anderen suchst und selber noch immer in Spontaneität und Wärme bewahrt hast, sprach Ernst Bloch als der ‚grünen Zeit‘, in der Sehnsucht antreibt – von einer Zeit, die ‚vom vagen, vor allem privaten Ahnen zum mehr oder minder sozial geschärften, sozial beauftragten‘ fortschreiten müsse. Du, Karola, sprichst davon, daß Du in Deiner Jugend Revolutionärin wurdest und daß Du tief entschlossen warst, ‚eher zu denen zu gehen die dich brauchen als zu denen, die du brauchst‘. Du bist bei den Träumen Deiner Jugend geblieben.“ (Anne Frommann)
„Als ich bei dem Parteiverfahren 1958, das zu meinem Ausschluß aus der SED führte, hochnotpeinlich befragt wurde, warum ich meine Beziehungen zu der bereits als ‚Parteifeindin entlarvten‘ Frau Bloch nicht abgebrochen habe, antwortete ich: ‚Sie ist mir eine zweite Mutter.‘ Die Duplik kam prompt: ‚Weißt du nicht, daß die Partei deine Mutter ist!‘ Ein Glück, daß diese mich ausgesetzt hat. Just in politicis hatte ich in Dir eine fantastische Lehrmeisterin. Du gingst mit allen Leuten, inklusive hohen Parteifunktionären, in einer mich unter den damaligen Umständen beinahe schockierenden Direktheit um, als müßte man sich nicht jedes Wort dreimal überlegen. Den beiden mächtigsten Parteisekretären in Leipzig, Fröhlich und Wetzel, sagtest Du nach dem ungarischen Aufstand 1956 und den Nachrichten über das Schicksal eines der Kinder des inzwischen ‚liquidierten‘ ungarischen Reformers Imre Nagy mitten ins Gesicht: Aber das ist ja roter Faschismus.‘ Und: Wo bleiben denn die Denkmäler für die entsetzlich vielen Opfer Stalins?‘ Solcher Unmittelbarkeit waren die Bonzen nicht gewachsen – freilich war damit das Urteil über Karola gefällt: Ausschluß aus der Partei und aus dem Architektenverband. Ernst Bloch war bei diesen und ähnlichen Auftritten durchaus zögerlicher, wenn auch (wider neuerliche Abrede aus vertrautem Kreise) nicht zu grundsätzlichen Zugeständnissen gegenüber den Apparatschiks bereit. Allerdings gab er Positionen, insonderheit hinsichtlich der Realisierung von theoretisch doch unwiderlegbaren Überzeugungen, nicht gerne preis. So wollte er, einem sonderbar gewählten Aperçu aus Melvilles ‚Moby Dick‘ folgend lieber ‚die Flagge an den zersplitterten Mast nageln‘. Die Metapher geht auf trotz, nicht auf Trost: das Schiff geht unter.“ (Jürgen Teller)