Inhaltsverzeichnis
Band 1
Frank von Auer
Auf der Suche nach der gewonnenen Zeit
Karlheinz A. Geißler
Bessere Zeiten – Ergebnisse der Zeitakademie
Ilse Brusis
Zeiterfahrung – Zeitgestaltung
Gert Otto
Zeit ist immer Lebenszeit
Jürgen P. Rinderspacher
Neue Zeit für eine neue Welt?
Lothar Zimmermann
Zeitgestaltung durch Gewerkschaften
Irmgard Blättel
Christen bewahren den freien Sonntag
Klaus Zwickel
Kirchen und Gewerkschaften für das arbeitsfreie Wochenende
Eberhard K. Seifert
Zeit, Demokratie und Herrschaft
Otto Ulrich
Zeitdynamische Konsequenzen der Industriegesellschaft
Helmut Schauer
Zeit und Politik
Ursula Pasero
Zeitkollisionen – Wandlungsprozesse gesellschaftlicher Zeitmuster
Friedhelm Hengsbach SJ.
Sollen wir das freie Wochenende verteidigen? – Zwölf Thesen
Autorenliste
Literarische Beiträge
Maja Langsdorff
Arbeits-Losen-Zeit
Horst Bingel
9. November 1938
Peter Schütt
Zeitplan
Peter Völker
Zeitguthaben
Ulli Harth
Hände hoch
Peter Grohmann
Paar Tage treffen sich
Band 2
Vorbemerkung
Rainer Zoll
Krise der Zeiterfahrung
Christel Schachtner
Zwischen Abschied und Aufbruch: Altern
Oskar Negt
Ende oder Anfang des sozialistischen Zeitalters?
Dietrich Lange
Eigene und enteignete Lebenszeiten
Joachim W. Hohl
Kleinerer Versuch über die Digitalzeit
Christiane Müller-Wichmann
Freizeit – Konsumzeit?
Michael Tress
Konsum in der Freizeit
Manfred Hilzenbecher
Der freizeitüberladene Konsumhaushalt ist nicht vorhanden
Claudia Schmidt
Endstation Seh-Sucht?
Detlef Knopf
Zeit für andere
Ursula Feist
Bedingungen für gewerkschaftliches Engagement
Dietrich Henckel
Freizeit – Stadtzeit
Jürgen P. Rinderspacher
Über die Wurzeln der Woche
Friedrich Heckmann
Der Kampf um den Sonntag
Andreas Mattner
Der Weg zum verfassungsrechtlichen Schutz des Sonntags
Reinhart Kößler
Die Arbeitswoche und die Chancen der Gemeinsamkeit
Udo Wichert
„Kollege Geh-Mal“ – Ein Gespräch über die Lage älterer Bergleute
Peter Grohmann
Das WERK. WERKstatt. GeWERKschaft. TriebWERK. KunstWERK
Hans Joachim Sperling
Zeitsouveränität in der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung
Autorenliste
Literarische Beiträge
Gabriele Kaltofen
Der Zeitgeist
Peter Grohmann
Beton
Reinhard Försterling
20jähriges Jubiläum in einem Bremsbelagwerk
Eva Vargas
Gaukler
Jürgen Weing
Wie Frau Lotte Lauterwasser die Zeit gewann
Siegfried Essmann
Klassenfreunde
Heidrun Holzbach
Falsche Uhrzeit
Siegfried Essmann
Immerhin
Zu Band 1:
In den kommenden Jahren stehen Gesellschaft und Gewerkschaften vor einer neuen Herausforderung. Veränderte industrielle Produktionsweisen und der Einzug neuer Technologien in Beruf und Freizeit haben zu einer merklichen Beschleunigung des Alltages und der Lebensgeschwindigkeit geführt. Sozialwissenschaftler sprechen von der „Krise der Zeiterfahrung“. Der Tagesablauf der Menschen wird immer mehr durch ein sich verdichtendes Netz von Zeitordnungen zusammengedrängt. Alles wird schneller – der Verkehr, die Arbeit, der Konsum. Die Freizeit des einzelnen muss verstärkt den Druck der beruflichen Hektik auffangen und ausgleichen. Doch während die einen Überstunden leisten und keine Zeit für privates Leben haben, sind andere zur Arbeitslosigkeit verurteilt.
Das Eintreten der Gewerkschaften für die 35-Stunden-Woche will eine Neuverteilung der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit erreichen. Demgegenüber fordern die Unternehmen eine maschinenbezogene Flexibilisierung der Arbeitszeiten und die Öffnung des Wochenendes für wirtschaftliche Interessen.
Kirchen und Gewerkschaften fürchten, dass die Auflösung des freien Wochenendes als einer gesellschaftlich gemeinsam erlebten Zeit zu einem größeren Maß der Vereinzelung und Entfremdung der Menschen führt. Neben den Verteilungskämpfen um Lohnanteile tritt der Streit über die Frage, wer über gesellschaftliche Zeitstrukturen bestimmt und wer dabei mitwirken darf.
Der Wunsch vieler Menschen nach einem erweiterten Abschnitt eigener, frei verfügbarer Zeit soll kollektive tarifliche und arbeitsrechtliche Absicherungen nicht außer Kraft setzen. Von Gewerkschaftsseite wird den flexibilisierten ununterbrochenen Maschinenlaufzeiten das Konzept einer gemeinsam vereinbarten Regelung größerer individueller Zeit-Souveränität entgegengehalten.
Der neu aufgebrochene Dialog zwischen Wissenschaft, Kultur und Gewerkschaft über eine demokratische Gestaltung gesellschaftlicher Zeitmuster präsentiert sich in diesen beiden Bänden unter dem Motto „Auf der Suche nach der gewonnenen Zeit“.
Aus dem Vorwort:
„Leben wir der Gegenwart vorweg? Mit dieser überraschenden Fragestellung hatte sich Arnold Gehlen bereits 1963 Sorgen um eine Gesellschaft gemacht, die immer ‚mehr leere Zeiten in der Zukunft‘ schaffe, deren Gegenwart jedoch ein ‚gestörtes Zeit-Bewußtsein‘ trägt. Bitter bemerkt er: ‚Ein Prozeß dieser Art reißt den Menschen in die Zukunft hinein, und läßt ihn nicht zum ruhigen Gefühl der Gegenwart, zum Sichsammeln kommen. Zeit hat man natürlich jetzt nicht, die hat man allenfalls später; mit der Zeit in der Zukunft kann man schlechterdings nichs anderes anfangen, als sie zu verplanen, denn leben in ihr kann man nicht.‘ […]
Die zunehmende Intensität und Verdichtung im Arbeitsleben gehen einher mit einer engeren Verplanung der Freizeit. Zeitpolitik ist nicht mehr nur Arbeitszeitpolitik. Die sich verändernde Erfahrung von Zeit ergreift unseren kulturellen Alltag und unsere Umgangsformen miteinander. Eine demokratische und soziale Zeitpolitik ist eine neue Herausforderung für die Gewerkschaften.“
Zu Band 2:
Unter dem Motto „Auf der Suche nach der gewonnenen Zeit“ steht der neu aufbrechende Dialog zwischen Gewerkschaften, Künstlern und Wissenschaftlern. Er soll Beiträge leisten für eine demokratische Gestaltung gesellschaftlicher Zeitpolitik und Zeitmuster. Der vorliegende zweite Band vertieft die Diskussion auf dem Gebiet der Arbeitsverkürzung, des Verhältnisses zwischen „Frei“-Zeit und Konsum-Zeit, der Geschichte der Arbeitswoche und der Bedeutung des freien Sonntags. Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und Gewerkschaft spüren den Prozessen der Zeitverdichtung nach, die sich in Beruf und Freizeit erkennen lassen.
Die Frage nach selbstverantworteten Lebenszeiten für Frauen und Männer bildet den Mittelpunkt der Arbeiten von Christel Schachtner und Dietrich Lange. Rainer Zoll erläutert, was sich hinter dem Begriff „Krise der Zeiterfahrung“ verbirgt. Daneben unterstreicht Oskar Negt die Aktualität sozialistischer Utopien, gerade weil der Realsozialismus in seiner stalinistischen Tradition gescheitert ist. Christian Müller-Wichmann hebt hervor, wie tiefgreifend die arbeitsfreie Zeit belastet wird von dem Druck des beruflichen Alltages und überwältigender Konsumangebote. Welche Auswirkungen Arbeitsverkürzungen auf die verbleibende Arbeit haben kann, analysiert Hans Joachim Sperling in seinem Plädoyer für mehr Zeitsouveränität. Der Stuttgarter Schriftsteller und Kabarettist Peter Grohmann lockt mit seinem literarischen Streifzug durch einen örtlichen Stadtteil, die Leser in das Kulturzentrum WERK, das in seinem Überlebenskampf gegenkulturelle Zeitmuster entworfen hat.
Die Herausgeber des Doppelbandes „Auf der Suche nach der gewonnenen Zeit“ legen mit dieser Sammlung von Beiträgen einen Steinbruch der Argumente für eine neue Zeitpolitik vor, in der das Verhältnis zwischen Männern und Frauen, zwischen öffentlichen und privaten Zeiten, zwischen Freizeit und Beruf durchdacht und verändert werden kann. Der Leserin und dem Leser erwächst auf diesen Seiten eine je persönliche „Zeitakademie“, die sowohl Lektüre für Minuten wie Grundlage intensiver Gespräch sein wird.