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sammlung kritisches wissen - Band 41

Francesca Vidal (Hg.)

Bloch-Jahrbuch 2001/02
Religionen und Zivilgesellschaft

Mit Beiträgen von Francesca Vidal, Welf Schröter, Joachim Perels, Micha Brumlik, Wolfgang Kinzig, Nadeem Elyas, Richard Scherer, Burghart Schmidt, Thilo Götze Regenbogen, Jan Robert Bloch, Hartwig Scheinhardt, Roger Behrens, Anne Frommann, Inka Thunecke, Klaus Kufeld

2002, 208 Seiten, br., 29,00 €
ISBN 978-3-89376-099-2 [ISBN 3-89376-099-7]

Welche Bedeutung haben die Religionen für die Entwicklung der europäischen Zivilgesellschaften? Stärken oder schwächen Religionen die Entfaltung ziviler Kulturen? Anlässlich des 25. Todestages von Ernst Bloch wollen die Autorinnen und Autoren unter philosophischer, juristischer, sozialwissenschaftlicher und pädagogischer Perspektive Antworten geben. Es kommen Beiträge aus jüdischer, muslimischer, christlicher, buddhistischer und atheistischer Sicht zu Wort. Der Antisemitismusstreit und der „11. September 2001“ beeinflussen die Kontroverse.

sammlung kritisches wissen - Band 41
( Talheimer Verlag )

€ 29.00 (inkl. 7 % MwSt.)


Inhaltsverzeichnis

 

Francesca Vidal
Religionen in der Zivilgesellschaft. Vorwort

Welf Schröter
Die Gegenwart der Shoa in der europäischen Zivilgesellschaft

Joachim Perels
Der Umgang mit Tätern und Widerstandskämpfern nach 1945

Micha Brumlik
Judentum in der Spannung von Vision und Realität

Wolfgang Kinzig
Christentum und Zivilgesellschaft – (k)ein europäischer Tagtraum

Nadeem Elyas
Islam und Zivilgesellschaft– ein europäischer Tagtraum

Richard Scherer
Erbschaften des christlich-jüdischen Dialoges

Roger Behrens
‚This Boy is Tocotronic‘. Dornröschen und das rote Geheimnis der Aufklärung

Jan Robert Bloch
Plädoyer für den Humanismus unreiner Vermischungen

Burghart Schmidt
Ernst Bloch – ein jüdischer Philosoph?

Thilo Götze Regenbogen
Buddhismus und Zivilgesellschaft. 24 Thesen

Hartwig Scheinhardt
Interkulturelle Bildung als Reaktion der Zivilgesellschaft auf die Einwanderung

Inka Thunecke
Gewalt und Missachtung. Überlegungen zum „aufrechten Gang“ in der politischen Bildungsarbeit in den neuen Bundesländern

Anne Frommann
Wir im Welthaus

Klaus Kufeld
Philosophie über Satellit. Die Themensatelliten ‚Aufrechter Gang‘ und ‚Religion‘

 

Ernst und Karola Bloch im Internet

 

Aus dem Vorwort:

 

„Welche Rolle nun haben die Religionen bei der Entwicklung einer gerechten Gesellschaft? […] Der evangelische Kirchenhistoriker Wolfgang Kinzig betont ganz vehement, dass dies bedeute, sich zu erinnern, wie Religionen zur Entwicklung der europäischen Gesellschaft beigetragen haben, dass sie es getan haben, daran sei kein Zweifel möglich. Erinnerung als Voraussetzung für Hoffnung ist dann Basis, um der Frage nachgehen zu können, wie der Beitrag der Religionen in Zukunft aussehen könne und wie sie ihre Rolle in der gegenwärtigen europäischen Gesellschaft definieren wollen. […] Nadeem Elyas, Sprecher des Zentralrates der Muslime, erläutert die Vorstellungen, wie Muslime in Europa leben wollen und worin sie ihre Verantwortung sehen anhand der ‚Islamischen Charta‘, in der betont wird, dass sie an der Bewältigung von Krisen gemeinsam mit Vertretern der anderen Religionen und auf der Basis der Gesetze des Landes, in dem sie leben, mitwirken wollen. Micha Brumlik macht in seinem Beitrag über den Weg von Juden in aller Welt in eine postzionistische Zukunft deutlich, dass die Situation in der Bundesrepublik sich dadurch auszeichnet, ‚daß jüdischer Kultur etwas vermeintlich unaufhebbar Museales oder das Zeichen des Epigonalen anhaftet. Nachdem die deutsche Nation sich während des Nationalsozialismus nicht nur aufs Brutalste der Menschen entledigte, sondern darüber hinaus die Wurzeln und Blüten einer etwa anderthalb Jahrtausende alten Tradition ausriss, klafft hier eine schmerzliche Lücke, die durch bloße Erinnerungsarbeit nicht geschlossen werden kann‘. Der Rostocker Theologe Richard Scherer untersucht, was genau diese Situation für Auswirkungen auf den jüdisch-christlichen Dialog, vor allem in der Bundesrepublik hatte und in Zukunft haben wird.

Ungewollte Aktualität bekam diese Diskussion durch das Aufbrechen des latent immer vorhandenen Antisemitismus in der Bundesrepublik, der sich in dieser Zeit in Äußerungen von FDP-Politiker Jürgen Möllemann und in dem neuesten Roman von Martin Walser Ausdruck verschaffte und der – wie Welf Schröter […] formuliert – in Zusammenhang steht mit einer ‚Schlussstrichmentalität‘, ‚die nicht nur auf die Ausgrenzung von Erinnerung sondern auf die Ausgrenzung von Menschen hinausläuft‘. Dass gerade solche Formen von Kulturabweisung letztlich dem Anspruch von Zivilgesellschaften, eine gerechtere Gesellschaft sein zu wollen, zuwider laufen, wurde zum wichtigen Diskussionspunkt auf der Tagung. So zeigt etwa der Beitrag von Jan Robert Bloch im metaphorischen Vergleich mit chemischen Prozessen, dass Neues, mithin kulturelle Entwicklungen nur möglich sind, wenn man sich nicht abschottet, sondern die verschiedensten Elemente sich vermischen lässt. Dass es seines Plädoyers für unreine Vermischungen dringend bedarf, erinnert schmerzhaft daran, dass Zivilgesellschaft noch lange nicht Wirklichkeit geworden ist. Einer der Gründe liegt gerade in der mangelnden Erinnerung, denn Erinnerungstilgung verhindert Zukunft.

Um aufzuzeigen, welche Grundlage Schlussstrichmentalität in der Rechtspolitik der fünfziger Jahre in der BRD erhalten hat und wie tief diese bis in die Gegenwart hinein wirkt, erläutert Joachim Perels […] den Umgang mit Tätern und Widerstandskämpfern nach 1945. Gerade in der langen Tradition der Abwehr von Schuld sind die Gründe für das Versagen in der gegenwärtigen Gesellschaft zu suchen. Die Diskussion wie denn damit umzugehen sei, welche Herausforderungen dies z.B. an Schule, Universität, Bildungseinrichtungen, Eltern stellt, wie es mit dem ‚aufrechten Gang‘ in unserer Gesellschaft bestellt ist, warum man ihn immer mehr einfordern muss und er nicht längst zur Selbstverständlichkeit geworden ist […]. Wie lässt sich heute um politisch-normative Bewertungen streiten, wie lässt sich Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit erlernen? Exemplarisch für diese Diskussion [… ist der] Beitrag der Bildungsreferentin der Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg Inka Thunecke […], der darlegtl, inwiefern die Zielvorstellung der Notwendigkeit des aufrechten Ganges für eine gerechtere Gesellschaft die praktische Bildungsarbeit im Osten der Republik prägt. Ergänzt wird die Darstellung durch einen Beitrag von Hartwig Scheinhardt, der beschreibt, wie interkulturelle Bildung auf die Entwicklung multikultureller Gesellschaft reagiert und wie sie auf das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und Religionen einwirkt.

Die ganz praktische Frage nach dem gesellschaftlichen Zusammenleben widmet sich auch dem Aspekt, wo und wie Menschen heute Möglichkeiten suchen, religiösen Grundbedürfnissen nachzukommen. Die Esoterikwelle steht hierfür exemplarisch, konsequent spricht deshalb Kinzig davon, dass der Gegenpart zur Religion nicht mehr der Atheismus ist, sondern die Indifferenz der Mediengesellschaft. Gerade diese Indifferenz aber führt zu einer Sehnsucht nach Formen individueller Selbstentfaltung. Dies ist weniger eine Suche nach dem, was der realen Befriedigung des Strebens nach Sinn entgegensteht, sondern entspricht der gängigen Mentalität der Konsumenten, insofern aus dem zahlreichen Angebot der Heilslehren ausgewählt wird. Thilo Götze Regenbogen beschreibt solche Sehnsüchte und schildert seinen Weg zum Buddhismus. Deutlich wird hier nicht so sehr welche Rolle der Buddhismus für die europäische Gesellschaft hat, sondern welche Ausdrucksformen die Suche nach dem persönlichen Glauben heute finden kann. Dass es jedoch auch Subversives in dieser neuen Sehnsucht nach Religiösen geben kann, vermittelt Roger Behrens […], der ‚Rettung der Hoffnung und Hoffnung auf Rettung‘ innerhalb der No-Future-Kultur ausfindig zu machen sucht. An den Blochschen Darlegungen zu Märchen und Kolportage entlang zeigt er den religiösen Impuls im Punk und kommt damit zu einer konkreten Beantwortung der Frage nach dem subversiven Erbe in der gegenwärtigen Kultur.“