Inhaltsverzeichnis
Sibylle Grüninger und Anne Frommann
Vorwort
Welf Schröter
Ermutigungen
Reden vor Gericht
Verena Reiner
Gewaltlos gegen Rüstung
Wilfriede Kontzi
Sprechen Sie Recht
Sibylle Grüninger
Ich habe gelernt. Ich fühle mich nicht schuldig
Anne Frommann
Zur notwendigen Nötigung
Dorothea Dietz
Wie konnte es geschehen?
Herbert Sorgius
Abenteurer der Liebe. Ein mahnender Brief
Margret Cieslinski
Nur ein Stein, der schreit
Kurt Stahl
Die Zeit drängt
Annemarie Roth
Ich muß mich einsetzen. Nein zur Umweltkriegsführung
Gertrud Müller
Wir kämpfen für den Frieden
Käthe Aufdermauer
Mahnerin auf ihrem Posten. Muß ich mich nicht wehren?
Gotthold Gocht
Niemals wieder schweigen
Friedrich Grüninger
Ein Zeichen setzen. Es sind gar nicht so wenige
Nachwort
Inge Jens
Nachwort
Anmerkungen
Aus dem Vorwort von Sybille Grüninger und Anne Frommann:
„‚Wir wollen den Enkeln die Erde bewahren.‘ ‚Wir wollen nie wieder sagen, davon haben wir nichts gewusst.‘ ‚Weil ich damals geschwiegen habe, schreie ich heute.‘
Das stand auf Transparenten, die Senioren und Seniorinnen aus der ganzen Bundesrepublik mitgebracht hatten zur Seniorenblockade in Mutlangen, damals im Mai 1986 und ganz ähnlich 1987.
Knapp eine Woche zuvor hatte das Entsetzen über den Super-GAU im AKW Tschernobyl die Menschen in Europa aufgeschreckt. Bei den Großvätern und Großmüttern, die sich nach Mutlangen auf den Weg gemacht hatten, war die Überzeugung gestärkt worden: ‚Wir müssen uns der atomaren Bedrohung in den Weg setzen, von welcher Seite sie auch kommen mag.‘
Vor den älteren Menschen – sie waren zwischen 60 und weit über 80 Jahre alt – lag, hinter Natodraht und unter scharfer Bewachung durch amerikanische Soldaten, das Depot der Pershing-II-Raketen. Diese Massenvernichtungswaffen, getarnt durch die verharmlosende Bezeichnung ‚Mittelstreckenraketen‘, wurden in jenen Maitagen zu Frühjahrsübungen durch die wunderschöne schwäbische Landschaft gekarrt, in langen, bedrohlichen Militärkonvois, die LKWs olivschwärzlich gesprenkelt, mit Tarnnetzen überzogen.
In Gruppen beisammen stehend, dann wohl organisiert und ruhig auf Klappstühlen sitzend oder auf Pappkartons hockend, so waren die Seniorinnen und Senioren an mehreren Tagen zu sehen. Friedlich singend, manchmal auch schweigend blockierten sie die Zufahrtsstraße zum Raketendepot, von der Militärmaschinerie und den mehrfachen Stachedrahtzäunen weit überragt. Die ritualisierten Aufrufe der Polizei, die Straße zu räumen, schallten durch das Megaphon, dann wurden die Menschen mit den grauen und weißen Haaren – ganz überwiegend Frauen – von Polizisten weggetragen und weggeführt, die ihre Söhne oder Enkel sein könnten.
Die Gerichte unseres Landes urteilen, diese Handlungsweise der alten Menschen sei gesetzwidrig, sei Nötigung und damit Gewalt. Vor dem zuständigen Amtsgericht in Schwäbisch Gmünd und vor dem Landgericht in Ellwangen wurden viele einer ‚strafbaren Handlung für schuldig befunden‘.
Wie bei der Blockade in Mutlangen den jungen Polizisten und amerikanischen Soldaten, so standen die Seniorinnen und Senioren auch vor Gericht jüngeren Menschen gegenüber – Richtern, Schöffen, Staatsanwälten – denen sie ihre Handlungsweise, ihre Motive aus Verantwortung für die Zukunft der Menschheit in beeindruckenden Reden darstellten.“
„Richter und Staatsanwälte werfen ihnen vor, sie übten Gewalt aus und unterminierten den Rechtsstaat. Die Gerichte sprechen von Nötigung und verhängen Geldstrafen, um die Delinquenten zur Achtung gegenüber dem Gesetz zu erziehen. Die Anklage beschuldigt die Täter der ‚verwerflichen Handlung‘ und der ‚Androhung von Übel‘. Doch so sehr sich die justiziellen Herren in ihren schwarzen Talaren auch bemühen, mit der genauen Auslegung des Paragraphen die vor ihnen stehende Tätergemeinschaft zu fassen, ihnen tritt in überzeugender Gelassenheit ein freundlich-gütiges Lächeln entgegen.
Unbeugsam und unbeirrt, mit einem Anflug von Mitleid, vernehmen die Mitglieder der Gruppe ‚Senioren für den Frieden‘ ihr Urteil. Mag der vorsitzende Richter die formale Richtigkeit seiner Entscheidung beanspruchen, die moralische Glaubwürdigkeit hat indessen längst auf der Anklagebank Platz genommen. Auf ihr sitzen Frauen und Männer im Alter von 60 bis manchmal gar weit über 80 Jahren, die sich in ihrer letzten Lebensphase für Aktionen des gewaltlosen Widerstandes entschieden haben. Seit drei Jahren gewinnen sie mit ihrer Offensive der Gewaltlosigkeit immer mehr Anhänger. Seniorinnen und Senioren engagieren sich in der Friedensbewegung, um ihren Protest gegen die atomare Rüstung und die Modernisierung der Raketensysteme zum Ausdruck zu bringen.“ (Welf Schröter, Ermutigungen)