Inhaltsverzeichnis
Gottfried Hermann
Vorwort
Jürgen C. Strohmaier
Einleitung
Hanna Gekle
Utopie der Melancholie
Karola Bloch
„Ich war begeistert …“
Welf Schröter
Rudis Weg zu Bloch
Dietrich Lange
Menschlich gebildet
Rainer Treptow
Zeiterleben und Modernität
Anhang
Vorbemerkung
Oskar Negt
Aufrechter Gang
Anne Frommann
Fortschritt – heute
Eberhard Braun
Bloch und die Linke
Autorenangaben
Geradezu als Anstiftung zur Ermutigung und „Philosophie zum Anfassen“ muss bezeichnet werden, was Ernst Bloch mit seinem Bildnis vom „Aufrechten Gang“ den Nachgeborenen einer zerbrechenden Welt hinterlassen hat. Das historisch „Unabgegoltene“ und die nach notwendiger Enttäuschung sich gründende Hoffnung auf ein besseres Diesseits lockt die Menschen, lässt sie sich einmischen in den Lauf der Geschichte. Die reale Möglichkeit der Humanisierung der Natur und der Naturalisierung des Menschen greift nach einem zukünftigen Fortschrittsbegriff, der „die Sehnsucht des Menschen, ein wirklicher Mensch zu werden“ (Karola Bloch) aufnimmt und als „Traum des Unbedingten“ als „Tagtraum“ vorwärts treibt.
In diesem Sinne will der Band „Utopie und Hoffnung“ der Wirkungsgeschichte des Blochschen Denkens nachspüren. Es gilt aufs Neue nach der stetig umwälzenden Aktualität dieses „blitzeschleudernden Zeus“ zu fragen. Vor dem Hintergrund zunehmender gesellschaftlicher Entfremdung, ökologischer und technologischer Gefahren drängt der Blochsche Impuls in politische Zusammenhänge und verzweigt sich bei der Suche nach Auswegen.
Um die ungebrochene Bedeutung und Gegenwärtigkeit des philosophischen Werkes zu unterstreichen, hat Jürgen C. Strohmaier als Herausgeber der Textsammlung sorgfältig Autoren und Beiträge zusammengefügt, die auch für den „Neuling“ den Zugang zu Bloch erlauben. Das Spannungsverhältnis zwischen Traum und Wirklichkeit gelangt darin zur Entfaltung.
Hanna Gekle, Dietrich Lange, Eberhard Braun, Oskar Negt und Anne Frommann haben sich mit ihren Entwürfen aufgemacht, das philosophische Werk des Alten, wie ihn Rudi Dutschke liebevoll genannt hat, als Steinbruch für das Bauwerk gesellschaftlicher Selbstbefreiung zu nutzen. Als „Theoretiker der Zeitlichkeit“ entdeckt Rainer Treptow Bloch und verfolgt darin die gelungenen und misslungenen Versuche der Rebellion. Die Freundschaft Blochs mit Rudi Dutschke steht im Brennpunkt von Welf Schröters Reise durch die jüngste Zeitgeschichte. Das produktive Miteinander von Karola Bloch und Ernst Bloch wird lebendig im Gespräch junger Studentinnen mit der an Lebenserfahrung reichen Architektin und eingreifenden Publizistin Karola Bloch.
Aus dem Vorwort:
„Soziale Arbeit soll Menschen unterstützen und beraten, die, wie es bei Ernst Bloch heißt, ‚gemeinsame Not leiden‘. Eine Not, die sich nicht allein im materiellen, sondern auch im psychosozialen Bereich zeigt. […]
Die Auseinandersetzung mit philosophischen Texten oder gar mit dem Werk eines einzelnen Philosophen erscheint so auf den ersten Blick als Luxus in einem berufsqualifizierenden Studium, in dem doch das Verwertbare und das Anwendbare im Mittelpunkt der Ausbildung stehen soll. Scheinbar unbeeindruckt von der Frage nach Neben- oder Hauptsache, Luxus oder Praxisrelevanz haben Studentinnen und Studenten unserer Fachhochschule sich die Zeit genommen, ein Seminar über die Philosophie von Ernst Bloch inhaltlich vorzubereiten und durchzuführen. Sie haben damit, wie es die in diesem Band gesammelten Referate demonstrieren, etwas wesentliches für Konzept und Perspektiven des Studiums der sozialen Arbeit geleistet: Die Auseinandersetzung mit philosophischen Texten, die nicht unmittelbar für die Verwertung in der Praxis zu taugen scheint, führt in das Zentrum von Fragen und Problemen sozialer Arbeit. Das anscheinend Nebensächliche führt zur Hauptsache, der vermeintliche Luxus wird zur Spur und zum Vorschein dessen, was wir in der sozialen Arbeit bewegen müssen, was uns dort bewegt.
In dem Anfangskapitel von ‚Atheismus im Christentum‘, dem Werk von Bloch, in dem er sich mit dem emanzipatorischen Gehalt des Alten und Neuen Testaments auseinandersetzt heißt es u.a.: ‚Reuig allein wird man nicht mündiger … . Besser daher, fürs wirkliche Gewissen, auf die Stimmen deren zu hören, die gemeinsame Not leiden und sie nur abstellen können, indem sie die abstellen, welche keinesfalls Not leiden, sondern von ihr leben. Das vorzüglich erfordert mündig zu werden, sich nicht seiner Demut, sondern seines Verstandes zu bedienen.‘
[…] diese Forderung […] verweist auf einen emanzipatorischen Gehalt sozialer Arbeit: Weil psychosoziale und materielle Not auch ein Resultat von Herrschaft von Menschen über Menschen ist, sei es ökonomisch in der Form der Arbeitslosigkeit, sei es patriarchalisch in der Form der Gewalt, sei es rassistisch in der Form von Ausländerfeindlichkeit, sei es erzieherisch in der Form von Entmündigung. […] Dies trifft sich mit dem Schlußsatz des Blochschen Zitats, zu begreifen sind die Ursachen der eigenen und fremden Unmündigkeit.
Blochs Philosophie geht übers Soziale weit hinaus, enthält aber mannigfaltige Momente und Perspektiven gegen Resignation und Entmutigung. Die Beschäftigung mit seiner Philosophie kann zur Ermutigung werden, auf das ‚Erste des wirklichen Lebensmutes …, was in uns Menschen den aufrechten Gang setzt und erhält‘ zu verweisen.“