Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Von peinlich-heimlicher Verhütung zum disziplinierten Sex
Der demographische Übergang
Der Ruf nach staatlicher Bevölkerungskontrolle
Nach 1945: bevölkerungspolitische Organisationen und Staat an einem Strang
Der Weg zu Norplant
Exkurs: Von Kopf bis Fuß auf Hormone eingestellt
Kleines Lexikon: von Gehirnen und Gonaden
Der menschliche Zyklus
Norplant im Vergleich mit anderen Hormonmitteln – eine zweigleisige Entwicklung
Die eine Richtung: Die Pille, eine tägliche Entscheidung
Die Dauerpräparate: Einmalige Wahl, dauerhafte Wirkung
Norplant wirkt und nebenwirkt
Faktoren der Sicherheit von Norplant
Un-/Erwünschte Wirkungen von Norplant
Effekte mit potentiell tödlichem Ausgang
Nichtwissen schützt vor „Nebenwirkungen“ nicht – zur Qualität der Norplant-Studien
Ach so viel studiert und nicht schlauer als zuvor
Häufig – aber nicht ernst zu nehmen
Bleiben heißt nicht immer Liebe
Zur Durchführung von „Feldstudien“
Norplant im gesellschaftlichen Kontext
Motivation und Nötigung
Wer trägt Norplant Soziale Gesundheitsfolgen – Verhütung in Gesellschaft
Kostbare Reproduktion
Der neue Trend zur heimlichen Verhütung: ohne Körper keine Kontrolle?
Wirtschaftliche Aspekte der Norplant-Politik: Norplant als Wegbereiter
Die Schuld der Frau und das autoritäre Genom
Abgesang auf Norplant: Feminismus im Disput
Literatur
Anhang
Tabelle
Abbildungen
Glossar
In ihrer wissenschaftlichen Untersuchung analysiert die Autorin den Prototyp der Langzeit-Verhütungsmittel: Norplant. Sind solche Implantate der Weg zu unbeschwertem Sexualleben mit sicherem Empfängnisschutz? Ihr Anwendungsgebiet weitet sich derzeit von den sogenannten „Krisenzentren der Bevölkerungsexplosion“ auf die „junge Frau in der Ausbildungsphase“ in Nordamerika und Europa aus. Norplant ist allerdings nicht nur bevölkerungspolitisch „beispielhaft“ für viele Präparate dieser Art, sondern auch durch die mangelnde Qualität der klinischen Studien: Während diese Sicherheit suggerieren, klagen zehntausende von Frauen wegen der gravierenden Wirkungen des Präparats vor Gericht.
Den Kern dieses Bandes bildet die Analyse solcher pharmakologischen und klinischen Studien. Im Lichte der jüngeren Verhütungsgeschichte und Bevölkerungspolitik und unter dem Vergrößerungsglas (medizinischer) Geschlechterpolitik arbeitet die Autorin heraus, daß Norplant eine einseitige biomedizinische Antwort auf wirtschafts- und sozialpolitische Fragen darstellt. Dabei wird deutlich, von welchen Interessenlagen und historisch-politischen Bedingungen die Fortpflanzung heute umgeben ist. Nachfolgeprodukte wie Implanon finden seit kurzem auch in Deutschland breite Anwendung. Der angekündigte Richtungswechsel hin zur standardisierten Sterilität und operativen Zeugung ist bereits weltweit im Gange.
Zur Autorin: Dipl. Biol. Bettina Bock v. Wülfingen hat Biologie, Philosophie und Politikwissenschaft in Regensburg, Córdoba (Argentinien) und Bremen studiert und war in Argentinien als Journalistin tätig. Sie verfasste 1999 eine molekularbiologische Abschlussarbeit zum Thema der pharmakologischen Wirkungen von Norplant. In ihrem Promotionsvorhaben betrachtet sie aktuelle Veränderungen des biomedizinischen Diskurses zur Reproduktion und „Sexualgesundheit“ vor dem Hintergrund aktueller Gesundheits- und Verwertbarkeitskonzepte. Ihre favorisierten Themen sind die Konstruktion der Geschlechter und der Normheterosexualität, „ReProduktions“-Wissenschaft und ihre technische Anwendung.
Aus dem Vorwort:
„Norplant ist eines jener global eingesetzten Langzeitverhütungsmittel, deren gemeinsames Kennzeichen ist, daß sie sich gänzlich dem Zugriff der verhütenden Frau entziehen. Norplant besteht aus sechs kleinen, hormongefüllten Stäbchen, die operativ unter die Haut am Innenarm gesetzt werden und solange das Hormon abgeben und schwangerschaftsverhütend wirken bis sie – wiederum operativ – entfernt werden. Die Geschichte der Entwicklung von Norplant ebenso wie der Diskurs um seine ‚Nützlichkeit‘ und Anwendungssicherheit, der den Erfahrungen der Anwenderinnen widerspricht, zeigt für den Bereich der Reproduktion paradigmatisch, mit welcher technischen Vorgehensweise in Laboren und an Schreibtischen vor einem ideologisch aufgeladenen Hintergrund Mythen produziert und reproduziert werden. Norplant wurde ausdrücklich mit dem Ziel entwickelt, dem ‚dringenden Problem‘ hoher Fortpflanzungsraten in den sog. Entwicklungsländern beizukommen. Dabei überkreuzen sich Mythen über ‚Frauen‘, über ‚Fruchtbarkeit‘, über ‚Armut‘ und deren Ursachen mit Mythen über die sog. Entwicklungsländer, von wo aus die ‚Überbevölkerung‘ uns alle bedrohe.“