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sammlung kritisches wissen - Band 72

Heidi Beutin, Wolfgang Beutin, Heinrich Bleicher-Nagelsmann, Herbert Schmidt, Claudia Wörmann-Adam (Hg.)

„Wir müssen die Wahrheit über die barbarischen Zustände sagen“

Welt-Wirtschafts-Krisen und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft, Politik und Kultur

Mit Beiträgen von Frank Bsirske, Elmar Altvater, Heiner Wittmann, Johan Dvorák, Claudia Wörmann-Adam, Olaf Walther, Harald Lützenkirchen, Wolfgang Beutin, Heidi Beutin, Herbert Schmidt, Erasmus Schöfer, Heinrich Bleicher-Nagelsmann, Jost Hermand, Christoph Butterwegge

2014, 240 Seiten, 29,00 €
ISBN 978-3-89376-162-3

„Literatur und Künste in Zeiten der Krise können nicht umhin, Stellung zu beziehen. Und so diskutieren wir über den Zusammenhang von Krise, Gesellschaft, Politik und Kultur, und über Werke (samt ihrer politischen Implikationen), welche Krisen reflektieren, und sie in Zusammenhang oder Kontrast bringen zu den Produktionen der Krise der 1930er. Wir wollen damit einen kulturellen und politischen Beitrag leisten zur kritischen Auseinandersetzung mit Krisenerscheinungen und den Konsequenzen für eine demokratische Kultur und Gesellschaft.“ (Aus dem Vorwort)

Die Texte befassen sich u.a. mit Werken von Autoren wie Pablo Neruda, Kurt Tucholsky, Kurt Hiller, Bernard de Mandeville, Hans Fallada, John Steinbeck, Petros Markaris, Hermann Broch.

„Unsere Erzählung des demokratischen und sozialen Europas ist die der Freiheit, der Gleichheit und damit der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität. Es sind die Werte der Aufklärung und der Französischen Revolution. Es sind die Werte, die alle die leiteten, die in der ersten großen Weltwirtschaftskrise mutig dem Faschismus, der Ideologie der Ungleichheit, dem Rassismus und Antisemitismus widerstanden.“

sammlung kritisches wissen - Band 72
( Talheimer Verlag )

€ 29.00 (inkl. 7 % MwSt.)


Inhaltsverzeichnis

 

Heidi Beutin, Wolfgang Beutin, Heinrich Bleicher-Nagelsmann, Herbert Schmidt, Claudia Wörmann-Adam
Vorwort

Frank Bsirske
Zur Aktualität der Wirtschafts- und Finanzkrise und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft, Politik und Kultur

Elmar Altvater
Die Krise des Kapitalismus – ein Fortsetzungsroman ohne Happy End

Heiner Wittmann
Die Weltwirtschaftskrise von 1929 und die französische Literatur

Johan Dvorák
„… und einstens war Prosperity …“. Finanzkrise und Spekulation im Spiegel der Literatur bei Hermann Broch

Claudia Wörmann-Adam
„Seitdem ist das Vaterland nicht mehr dasselbe“. Pablo Neruda, Chile und die neoliberale Konterrevolution

Olaf Walther
„Der unbeirrbare Stumpfsinn, mit dem diese Kapitalisten ihre törichte Geldpolitik fortsetzen“ (1931). Kurt Tucholskys Ursachenanalyse

Harald Lützenkirchen
Kurt Hillers Schrift „Selbstkritik links! (Über die Ursachen des nationalsozialistischen Erfolges)“ (1932)

Wolfgang Beutin
„Er sagt, nächstens verkaufen sie einem auch noch die Luft“. Ein US-amerikanisches Epos über die Krise auf dem Lande: John Steinbecks „Früchte des Zorns“ (1939)

Heidi Beutin
„Planlosigkeit, die heute die Weltkrise heraufbeschwört“. Ernst Toller und seine Analyse während seiner Vortragsreise in den USA 1936/37

Erasmus Schöfer
Die Kinder des Sisyfos, die Gewerkschaften und das Kapital. Oder: Kann Literatur Verhängnis werden

Heinrich Bleicher-Nagelsmann
„Faule Kredite in finsteren Zeiten“. Die griechische Wirtschaftskrise in den Romanen von Petros Markaris

Jost Hermand
„Kleiner Mann – was nun?“ Hans Falladas Roman von 1932

Christoph Butterwegge
Wirtschaftskrise und Sozialpolitik. Not und Elend als Nährboden für Rechtsextremismus und -populismus
 
Wolfgang Beutin
Gerhard Wagner. Ein Nachruf

Autorinnen und Autoren

 



Auszug aus dem Vorwort



Der Zusammenbruch der amerikanischen Bank Lehman Brothers Inc. war die Initialzündung für eine Krise der Finanzmärkte, die weltweit, und insbesondere auch in Europa, zu einer gravierenden ökonomischen Krise geführt hat. Der „schwarze Freitag“ der Zwanziger Jahre stand unvermutet als Menetekel auf der Tagesordnung. Die Bekämpfung der Bankenkrise hat zu einer Schuldenkrise mit massiven gesellschaftlichen Folgen geführt. Die von den neoliberal agierenden europäischen Regierungen und der EU-Kommission durchgesetzte Austeritätspolitik hat tiefgreifende Spuren hinterlassen, insbesondere in den südeuropäischen Staaten. Die soziale Ungleichheit ist drastisch gestiegen, die Gesellschaften sind tiefer gespalten und die ökonomische Krise wächst zu einer Krise der Demokratie, wie sie u.a. in dem starken Anwachsen rechtpopulistischer Strömungen und der rechten Parteien sich abzeichnet. In den Staaten der 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Europäischen Union erstarken auch in den demokratischen Parteien Kräfte, die eine nationalstaatliche Krisen-Lösungsstrategie befürworten.

Wie Elmar Altvater zu Recht feststellt, sind angesichts der tiefgreifenden weltweiten ökonomischen und finanziellen Verflechtungen der Staaten nationale Lösungsstrategien untauglich. Wir brauchen also, wie der ver.di-Vorsitzende, Frank Bsirske, in seinem Beitrag plädiert, eine neue europäische Politik. „Mehr Europa, aber anders“ – ist die Forderung. „Unsere Erzählung des demokratischen und sozialen Europas ist die der Freiheit, der Gleichheit und damit der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität. Es sind die Werte der Aufklärung und der Französischen Revolution. Es sind die Werte, die alle die leiteten, die in der ersten großen Weltwirtschaftskrise mutig dem Faschismus, der Ideologie der Ungleichheit, dem Rassismus und Antisemitismus widerstanden. Es sind die Werte unseres Grundgesetzes, die Werte einer modernen und humanistischen Kultur und die Werte der Gewerkschaften.“

Diese Werte sind auch in den Künsten und der Literatur immer wieder reflektiert, diskutiert und propagiert worden. Kunst, Literatur und Zeitgeschichte stehen in einem wechselseitigen Spannungsverhältnis zueinander. Einerseits reflektieren und interpretieren Künstler/-innen und Autoren/-innen in ihren Werken die Epoche und deren Zeitgeist. Andererseits beeinflussen die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse die Künste und Literatur. Wenn dies allgemein gilt, dann umso mehr für Zeiten großer Krisen, wirtschaftlich wie politisch.

Ein herausragendes Beispiel ist die Weltwirtschaftskrise ab 1929, die mit dem Schwarzen Freitag in den USA ihren Ausgang nahm und in Deutschland 1933 mit dem Aufstieg des Faschismus ihren Höhepunkt fand. Die Krise der 1930er polarisierte die Gesellschaft, und damit auch die Künste. Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, politische Radikalisierung waren die Auswirkungen der bisher größten Krise des Kapitalismus und ihrer Konsequenzen: in einigen Ländern Europas ging der Weg in den Faschismus, wohingegen in den USA man mit dem New Deal einen anderen Weg beschritt. Die faschistische Konsequenz wurde in Literatur, Theater, Kabarett, Film, Musik etc. genauso scharf thematisiert wie auf der Straße. Dementsprechend entstanden in der Krise zahlreiche Werke über das von ihr verursachte Elend, aber auch Werke, welche die Notwendigkeit von Veränderungen und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft beschrieben.

Auch wenn die Krise der 1930er in ihrer Schärfe bisher unübertroffen ist, beginnen sich doch heute erste vergleichbare Züge zu entwickeln. Insbesondere in den Ländern Südeuropas werden die Konsequenzen der jüngsten Krise immer deutlicher sichtbar. Angesichts der Gefahr des Auseinanderbrechens der Eurozone werden nationalistische, rechtspopulistische und neofaschistische „Schein-Lösungen“ laut. Christoph Butterwege zeigt in seinem vorliegenden Beitrag hierzu interessante Aspekte auf. Die Auswirkungen der Krise und Strategien zu ihrer Überwindung (von links wie von rechts) sind ebenfalls wieder Gegenstand der Betrachtung der Literatur, der bildenden und darstellenden Künste.

Zwischen 1933 und heute gab es auch außerhalb Europas Krisen sowie literarische und künstlerische Verarbeitung von deren Ursachen, Verlauf und Auswirkungen, die von Interesse sind. Roosevelts „New Deal“ als massenfreundliche Lösung ist ebenso lehrreich wie die Politik des Neoliberalismus (z.B. Milton Friedman und die „Chicago Boys“) in Chile oder Argentinien.

Eine der wichtigsten Publikationen, die mit der Großen Krise der 1920er Jahre immer in Verbindung gebracht wird, ist Hans Falladas berühmter Roman „Kleiner Mann – was nun?“. Hierzu hat Jost Hermand einen Beitrag geschrieben, der ihn nicht nur zeitgemäß in die Rezeption der dreißiger Jahre einordnet, sondern im Fazit deutlich macht, dass solidarische Zusammenschlüsse und aus ihnen hervorgehende politische Abwehr- und Umgestaltungsstrategien in Krisenstrategien für eine wirklich demokratische Lösung unabdingbar sind.“