Start Pressearchiv PM 29.09.2010 Ernst und Karola Bloch und die deutsch-deutsche Einheit von unten
PM 29.09.2010 Ernst und Karola Bloch und die deutsch-deutsche Einheit von unten

Ernst und Karola Bloch und die deutsch-deutsche Einheit von unten

Anläßlich 20 Jahre Deutsche Einheit

Mit scharfer Kritik an "Pachulkistan" unterstützten Ernst und Karola Bloch von Tübingen aus die Opposition in der damaligen DDR. Mit dem Wort "Pachulkistan" (Tölpelstaat) bezeichnete Ernst Bloch das SED-Regime. Die Parteinahme für politische und kulturelle Widerstände geht aus zwei Büchern hervor, die der Talheimer Verlag zum Leben Karola Blochs verlegte. Zwanzig Jahre danach veröffentlichten Jan Robert Bloch (†), Anne Frommann, Irene Scherer und Welf Schröter den verschlüsselten Briefwechsel zwischen dem Philosophen Ernst Bloch, der Architektin Karola Bloch, beide Tübingen, sowie dem Philosophen und Blochschüler Jürgen Teller und der Galeristin Johanna Teller, beide Leipzig. Unter den Decknamen "Marcion", "Polonia", "Major Tellheim" und "Minna von Barnhelm" sandten die Oppositionellen-Ost über Jahrzehnte heimliche Botschaften an die Oppositionellen-West und umgekehrt.

Aus mehr als zweihundert Briefen mit mehr als eintausend erklärenden Fußnoten entfalten sich die enttäuschten Hoffnungen zweier Generationen wie auch die Freude über den Sturz der SED. In den Kassibern werden viele Köpfe wieder lebendig: Hans Mayer, Volker Braun, Bertolt Brecht, Eberhardt Klemm, Uwe Johnson, Walter Jens, Siegfried Unseld, Werner Tübke, HAP Grieshaber u.a.m.

Mit der Veröffentlichung des Briefwechsels in diesem Band entsteht zugleich ein Impuls für eine Erweiterung der Rezeption der Werke von Jürgen Teller, der in Leipzig als Assistent Blochs unter der Drangsalierung der DDR-Staatssicherheit litt, nachdem die Blochs 1961 die DDR kurz vor der Schließung der Mauer verlassen hatten.

In diesem außergewöhnlichen Buch trifft sich die "andere" DDR mit der "anderen" BRD: Ein Dialog jener, die in ihren jeweiligen Gesellschaften zu oppositionellen Andersdenkenden wurden.

Die Lebensleistung Karola Blochs wird neu entdeckt in dem zweiten Buch "Karola Bloch – Architektin, Sozialistin, Freundin", herausgegeben von Irene Scherer und Welf Schröter. Dreißig Berufsjahre wirkte die Architektin und Bauhaus-Schülerin Karola Bloch in Wien, Paris, Prag, New York, Leipzig. Die Neuerscheinung will gerade auch das Berufsprofil einer gesellschaftlich aktiven Frau herausarbeiten, die in Deutschland lange im Schatten des Werkes ihres Mannes, des Philosophen Ernst Bloch, stand.

Karola Bloch (1905-1994) war Schülerin von Hans Poelzig und Bruno Taut. Sie arbeitete bei Auguste Perret und wirkte in dem größten Architekturunternehmen der USA. Die Architektin war mit dem Bauhaus-Meister Xanti Schawinsky und Hannes Meyer, dem Direktor des Bauhauses Dessau freundschaftlich verbunden. Von 1949 bis 1956 war sie in der DDR tätig, bevor ihr dort die SED das Arbeiten verbot.

Die Kunst und der Dialog mit den Künstlern lag der Polin, Jüdin, Antifaschistin und Architektin Karola Bloch ebenso besonders am Herzen. Ausführlich korrespondierte sie mit dem in der DDR lange missachteten Kunstschaffenden Carlfriedrich Claus (1930-1998) aus Annaberg. Er hatte sich vorgenommen, seine Kunst mit dem philosophischen Werk Ernst Blochs zu verbinden. Nun wird endlich die Brieffreundschaft zwischen Carlfriedrich Claus und Karola Bloch sichtbar. Erstmals wird die Korrespondenz beschrieben und ausführlich zitiert.

Zu einem weiteren Künstler hielt Karola Bloch Kontakt: zu Ludwig Meidner (1884-1966). Den heute anerkannten Maler lernte Karola Bloch in ihrem neunzehnten Lebensjahr kennen. Er porträtierte sie und hielt somit das Gesicht einer jungen Frau des Jahres 1924 kennen. 1960 zeichnete er die dann 55jährige noch einmal. Nun enthielt das Gesicht die Leiden der Emigration. Heute werden diese Zeichnungen erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Das Buch "Karola Bloch – Architektin, Sozialistin, Freundin" ist das Ergebnis einer langjährigen Recherche und Textzusammenstellung. Mehrere Werktexte der Architektin werden nach 50 Jahren erstmals wieder zugänglich gemacht.

Irene Scherer, Welf Schröter (Hg.)
Karola Bloch – Architektin, Sozialistin, Freundin
Eine Neuentdeckung des Wirkens der Bauhaus-Schülerin Karola Bloch
2010, 392 Seiten, br., 44,00 EUR, ISBN 978-3-89376-073-2

Jan Robert Bloch, Anne Frommann, Welf Schröter (Hg.)
Briefe durch die Mauer
Briefwechsel 1954 – 1998 zwischen Ernst & Karola Bloch sowie Jürgen & Johanna Teller
2009, 344 Seiten, br., 28,00 EUR, ISBN 978-3-89376-113-5 [ISBN 3-89376-113-6]