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sammlung kritisches wissen - Band 73

Helmut Fahrenbach

Philosophie – Politik – Sozialismus
Ein prekäres Verhältnis in Deutschland

2016, 488 Seiten, br., 39,00 €
ISBN 978-3-89376-158-6

„In diesem Buch geht es nicht um eine detaillierte und umfassende Geschichte der politischen Philosophie oder der Beziehungen zwischen Philosophie, Politik und Sozialismus im 20. Jahrhundert sondern um die Vergegenwärtigung und Reflexion der Stellung der Philosophie in und zu den politisch-gesellschaftlichen Umbrüchen dieses Jahrhunderts. An solchen Wendepunkten der Geschichte zeigt sich auch am ehesten, ob und wie die Philosophie dem Anspruch, ihre Zeit in Gedanken zu fassen (Hegel) gerecht geworden ist.“ Helmut Fahrenbach

sammlung kritisches wissen - Band 73
( Talheimer Verlag )

€ 39.00 (inkl. 7 % MwSt.)


 

Inhaltsverzeichnis

 

Vorwort

 

I. Die Weimarer Zeit als politische, kulturelle, philosophische Schlüsselepoche des 20. Jahrhunderts

1. Philosophie, Zeitanalyse und Politik

2. Exemplare Positionen. Die Gegenpole: Spengler, Heidegger – Bloch

3. Exemplarische Zeitanalytiker: Plessner, Jaspers, Löwith, Marcuse

 

II. Nach dem Nationalsozialismus

1. Neuanfang der Philosophie 1945–1950

2. Philosophie und Politik nach der Erfahrung des Nationalsozialismus

3. Zeitanalyse, Politik und Philosophie der Vernunft im Werk von Karl Jaspers

4. Befreiung als praktisches Problem der Freiheit. Über die Notwendigkeit einer kritisch-utopischen Philosophie emanzipatorischer Praxis

5. Praxis als widerständiges Problem kritischer Theorie

 

III. Der Zusammenbruch des totalitären ‚Sozialismus‘/Kommunismus

1. Nach dem Zusammenbruch des totalitären Staats-‚Sozialismus‘

2. Blochs Philosophie des Sozialismus ? im Zwielicht der zeitgenössischen Lage sozialistischer Theorie

3. Marcuses Kritische Theorie und Sozialismuskonzeption

4. Marxismus und Existentialismus: Lukács, Sartre, Bloch

5. Demokratie und Sozialismus als politische Prinzipien kritischer Gesellschaftstheorie

 

IV. Ziele und Grundlagen einer Philosophie humaner Politik

1. Kommunikative Vernunft als weltpolitisch und interkulturell notwendige Denkform

2. Die ethische Dimension im Sinne des ‚Weltethos‘

3. Die Sinnintention: Kommunikative praktische Vernunft in weltbürgerlicher Absicht und humanistisch-sozialistischer Perspektive

 

Verwendete Veröffentlichungen

Literaturhinweise

Angaben zum Autor

 

 


Aus dem Vorwort

„In diesem Buch geht es nicht um eine detaillierte und umfassende Geschichte der politischen Philosophie bzw. der Beziehungen zwischen Philosophie und Politik im 20. Jahrhundert, sondern um die Vergegenwärtigung und Reflexion der Stellung der Philosophie in und zu den politisch-gesellschaftlichen Umbrüchen dieses Jahrhunderts. An solchen Wendepunkten der Geschichte sollte sich am ehesten zeigen, ob und wie die Philosophie dem Anspruch, ihre Zeit in Gedanken zu fassen (Hegel) gerecht geworden ist.

Dieser Blickpunkt ist gerade für das Verhältnis von Philosophie und Politik in Deutschland nötig. Denn der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts sind schon mit dem Ersten Weltkrieg und dann vor allem mit dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg die gravierendsten Brüche und verheerendsten Folgen für die Welt zuzuschreiben. Über deren Erfahrungsniederschlag und Reflexion in der jeweils zeitgenössischen Philosophie Rechenschaft zu erwarten, ist m.E. philosophisch und politisch unabweisbar.

In diesem Sinn bilden die folgenden Darlegungen ihrer Motivation und Absicht nach dem Versuch, die Stellung der Philosophie in und zu den politisch gesellschaftlichen Umbruchsphasen des 20. Jahrhunderts – Erster Weltkrieg/Weimarer Zeit 1918–1932, Nationalsozialismus/Zweiter Weltkrieg 1933–1945, Zusammenbruch der kommunistischen Systeme 1989/ 90 und die weltpolitische Lage des Sozialismus – zu erklären und zu beurteilen.“ Helmut Fahrenbach

 


Eine Leseprobe

„Heideggers pathetisch-entschlossen tönende politische Stimme war zwar die des damals maßgebenden deutschen Philosophen; sie wurde gehört, fand Nachfolger und Unterstützung, und zwar von politisch sicher versierteren und gefährlicheren Leuten, wie etwa dem Juristen Carl Schmitt. Aber sie war doch nicht die einzige Stimme der durch sie (wie Benedetto Croce mit Recht schrieb) im Grunde ‚entehrten‘ Philosophie. Neben mancher anderen kam die eigentliche und deutlichste Gegenstimme von Ernst Bloch, auch wenn sie damals gewiss nicht so weit gehört wurde wie die von Spengler und Heidegger. Blochs Denken bildet das Gegengewicht nicht nur aufgrund seiner marxistischen Gegen-Position und des Gegenentwurfs seiner utopisch-kritischen Philosophie der Praxis (die er auch in expliziter Kritik gegen Heideggers und Spenglers Schicksalsdenken gewendet hat); das Gewicht von Blochs Denken für unsere Fragestellung liegt vor allem auch darin, dass er jene Gegenposition mit einer umfassenden und differenzierten Analyse der Weimarer Zeit verbunden hat. Blochs Philosophie stand von Anfang an, das heißt vor und seit Geist der Utopie (1918), in einem ständigen Bezug auf konkrete Erfahrungen des Lebens und der Zeit, bei deren Auslegung Blochs Denken stets ansetzte, aber nicht um sie zu fixieren, sondern um sie auf ihre offenen Ränder, auf das Mögliche im Wirklichen hin durchsichtig zu machen. Das Buch Geist der Utopie – wie Spenglers erster Band des Untergangs im Weltkrieg geschrieben und 1918 veröffentlicht – ist der Gegenpol zu Spengler. Trotz einiger struktureller Parallelen – im praktischen Interesse an der Zeit und der Zukunft vor dem Hintergrund des geschichtlichen Erbes und auch in der Sicht der Zeit als eine des leer gewordenen und veräußerlichten Lebens – bestehen inhaltlich die schärfsten Gegensätze. Die Zeitlage, die Spengler zum Schicksal verfestigt, motiviert Bloch gerade zur philosophischen Aufgabe eines utopisch-praktisch gerichteten Denkens und einer tätigen Überschreitung des leer gewordenen Lebens zu einer neuen ‚Selbstbegegnung‘ des Menschen. Im Geist der Utopie bleibt die beherrschende utopische Perspektive zwar noch ein abstrakt-utopisches Transzendieren in der Zeit im Sinn einer ‚revolutionären Romantik‘ und ‚Gnosis‘, wie Bloch später selbstkritisch gesagt hat. Die weiteren Schriften aus den zwanziger Jahren – insbesondere Durch die Wüste (1923), Thomas Münzer (1921), die politischen und literarischen Aufsätze dieser Zeit und die Spuren (1930) – rücken über die für Blochs Denken charakteristische Verflechtung von alltäglicher Erfahrung, in Geschichten erfasst, und kritischer Analyse von Zeit und Politik zunehmend in die philosophische Perspektive konkret-utopischer Intention.“









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