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sammlung kritisches wissen - Band 95

Helmut Fahrenbach

Brennpunkte neuzeitlicher Philosophie

2023, 480 Seiten, 39,00 €
ISBN 978-3-89376-198-2

„Philosophieren ist nun einmal […] kein ‚standpunktloses Unternehmen‘.“ Dieser Haltung ist Helmut Fahrenbach in seinen Analysen und Wertungen auf dem Weg zwischen den Brennpunkten neuzeitlicher Philosophie sowie in der Kommentierung ihrer inneren Zusammenhänge verpflichtet. Mit dieser Zusammenstellung von eigenen Aufsätzen setzt er den Schlussstein seiner elf Titel umfassenden zwölfbändigen philosophischen Werkausgabe (Talheimer Ausgabe). Er identifiziert Brennpunkte philosophischen Denkens, setzt sie in Beziehung, ordnet sie ein und würdigt sie in kritischer Reflexion. Dabei geht er zurück auf Descartes und Kant, sucht die Verbindungen zu Kierkegaard, Nietzsche, Feuerbach, Marx und Bloch, um daran anschließend die philosophischen Spannungen der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts zwischen Heidegger, Spengler und Bloch abzufragen gegenüber den Aufbrüchen der Zeit nach dem Nationalsozialismus. Die Brennpunkte der Nachkriegszeit verbinden sich mit der Rezeption der Positionen von Löwith, Bultmann, Jaspers, Picht und Plessner. Er stellt Verknüpfungen zu Marcuse, Sartre, Adorno, Horkheimer und Habermas her wie auch zu Walter Schulz und Dieter Henrich.

Die Brennpunkte neuzeitlicher Philosophie lassen Philosophiegeschichte und aktuelle Relevanz politischer Philosophie wie auch existenzialistische Perspektiven in ihren Bedeutungen aufscheinen. Doch begnügt sich der Autor nicht mit bloßer Bezugnahme auf historische Kontroversen. Er entwickelt die in den Brennpunkten angelegten Fragestellungen weiter, um sie zugleich aus den Begründungszusammenhängen seines politisch-philosophisch-anthropologischen Ansatzes jenen Antworten näher zu bringen, die seiner „Philosophie der Zukunft“ entsprechen.

Im Anhang dieser begründeten Anthologie ist der zweite Teil der Dissertation Helmut Fahrenbachs aus dem Jahr 1954/55 wiedergegeben. Darin arbeitet er die dialektischen Bezüge zwischen Philosophie und Theologie am Beispiel von Luthers Hoffnungsverständnis heraus: „Geht es aber gar um den Grenzbereich von Philosophie und Theologie, dann scheinen die Schwierigkeiten unlösbar zu werden, weil die grundsätzliche Gemeinsamkeit des Bodens in Frage steht, und die Differenz der Ebenen offenbar letztlich nicht zu überwinden ist.“

sammlung kritisches wissen - Band 95

€ 39.00 (inkl. 7 % MwSt.)


Inhaltsverzeichnis


Vorbemerkung des Verlages

1. Descartes: Endlichkeit des Bewusstseins und absolute Gewissheit?

2. Kant: Meinen, Wissen, Glauben. Die Notwendigkeit der Differenzierung von „Weisen des Fürwahrhaltens“

3. „Philosophie in weltbürgerlicher Bedeutung“. Kants Sinnbestimmung der Philosophie nach ihrem „Weltbegriff“

4. Kierkegaards ethische Existenzanalyse als „Korrektiv“ der kantisch-idealistischen Moralphilosophie

5. Feuerbachs anthropologische Kritik und Begründung der Philosophie

6. Nietzsches Kritik der Moral und die Ansätze existenzphilosophischer Ethik

7. Utopisches Bewusstsein und gesellschaftliches Sein. Transformation einer Marx’schen Formel in der Philosophie Ernst Blochs

8. Die Weimarer Zeit im Spiegel ihrer Philosophie. Philosophie, Zeitanalyse und Politik in der Weimarer Republik bei Spengler, Heidegger Bloch

9. Philosophie – nach dem revolutionären Bruch im Denken des 19. Jahrhunderts. Karl Löwith in der Weimarer Zeit (1928–1933)

10. Philosophie, Ethik und Politik nach der Erfahrung des Nationalsozialismus

11. Philosophie in veränderter Welt. Zum philosophischen Werk von Walter Schulz

12. Anhang: Martin Luthers Theologie der Hoffnung. Nachtrag zu „Wesen und Sinn der Hoffnung“ (2021). Vom theologischen Verständnis der Hoffnung

Personenverzeichnis

Helmut Fahrenbach – Zur Person

Helmut Fahrenbach – Philosophische Werkausgabe

 

 

Auszug aus dem Text „Philosophie, Ethik und Politik nach der Erfahrung des Nationalsozialismus“


„Die in der Nachkriegszeit vollzogene philosophisch-politische Reflexion der Realität und Erfahrung des Nationalsozialismus gewinnt ihren eigentlichen Aufschlusswert freilich erst, wenn der Bogen von der Zeit vor bis nach dem Nationalsozialismus geschlagen wird, mit der Frage, ob und in welchem Sinne bei den führenden Philosophien dieses Zeitraums Veränderungen und Lernprozesse zu verzeichnen sind, die sich aus jener Erfahrung und Reflexion ergeben haben. Die Antworten auf diese Frage hängen natürlich von der jeweiligen Stellung ab, die am Ende der Weimarer Zeit im Felde von Philosophie, Zeitanalyse, Politik im (antizipierenden) Blick auf die Heraufkunft des Nationalsozialismus eingenommen wurde, die dann mehr oder weniger tiefgreifende Korrekturen nötig machte – oder auch nicht.

Um hier zu einer angemessenen Beurteilung zu kommen, sollte man freilich von vornherein davon Abstand nehmen, der Philosophie gleichsam a priori eine besondere prognostische Fähigkeit zuzusprechen und abzuverlangen. Philosophie, die sich zurecht – um ihrer eigenen Selbstverständigung und ihres die Orientierung in der Lebenswelt einbegreifenden Erkenntnisinteresses willen – notwendig auf Zeit-, Politik- und Gesellschaftsanalyse einlassen muss, hat für die Zeitdiagnose und Zukunftsprognose keine privilegierten Mittel zur Verfügung, zumal gegenüber der in diesem empirisch-analytischen und projektiven Feld eher kompetenten Soziologie und Politikwissenschaft. Insofern war es auch nicht ohne weiteres zu erwarten, dass am Ende der Weimarer Zeit klar denkende Philosophen die politisch-gesellschaftliche Zeitlage und die Gefahr des Nationalsozialismus klarer als andere hätten sehen müssen. Hellsichtigkeit an diesem Punkt zeigte sich nur bei wenigen, zumeist im Zusammenhang mit einer marxistischen Grundorientierung, so vor allem bei Ernst Bloch in seinen frühen Analysen, die dann in Erbschaft dieser Zeit (1935) eingegangen sind. Bei den meisten Philosophen hingegen war das nicht der Fall, zumal viele Intellektuelle der damaligen Zeit – wenn sie sich nicht selbst in die ‚Bewegung‘ einreihten – den Nationalsozialismus auch noch nach der ‚Machtergreifung‘ eher als einen kurzen Spuk ansahen denn als eine reale und dauerhafte Gefahr.“









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