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sammlung kritisches wissen - Band 86

Irene Scherer, Welf Schröter (Hg.)

Erinnerungskultur stärkt Demokratie
Zur Verteidigung der Menschenwürde

Gewidmet Doris Angel (Doris Löwenstein) und Harold Livingston (Helmut Löwenstein)

Mit Beiträgen von Muhterem Aras, Aleida Assmann, Jan Assmann, Serge Klarsfeld, Heinrich Bleicher-Nagelsmann, Hans-Ernst Böttcher, Arno Münster, Annette Stock, Irene Scherer, Welf Schröter

2019, 144 Seiten, 15,00 €
ISBN 978-3-89376-183-8

Aus der Geschichte von Gesellschaften und Kulturen lernen wir, welchen Einfluss und welche Macht das Wort erlangen kann. Worte können aufklären, ermutigen und Selbstbewusstsein vermitteln. Worte können verletzen, ausgrenzen und aufhetzen. Das gesprochene oder geschriebene Wort geht den Taten der Menschlichkeit oder den Taten der Menschenfeindlichkeit in der Regel voraus. Wir tragen Verantwortung für das, was wir sagen, und für jenes, das wir nicht sagen.

Das Recht, die Sprache, das Erinnern und das Gedenken stellen konstitutive Bestandteile einer demokratischen Gegenwart und Zukunft dar. Die ausgewählten Texte und Beispiele in diesem Band folgen mit eigenen Ansätzen einer solchen Haltung. Die Beiträge aus der Erinnerungsarbeit zur Geschichte von Saint-Martin-Vésubie in Frankreich veranschaulichen die Notwendigkeit länderübergreifender Gedenkkulturen. Sie betonen, dass die Zukunft der Demokratie nicht national, sondern grenzüberschreitend und europäisch zu erreichen ist.

sammlung kritisches wissen - Band 86
( Talheimer Verlag )

€ 15.00 (inkl. 7 % MwSt.)


Inhaltsverzeichnis

 

Irene Scherer, Welf Schröter
Von der Macht des Wortes und der Ermutigung zur Zivilcourage. Ein Vorwort

Muhterem Aras
Gedenkrede. Gedenkstunde des Landtags von Baden-Württemberg zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus in Stuttgart am 27. Januar 2017

Aleida Assmann, Jan Assmann
„Wahr ist, was uns verbindet!“ Dankesrede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2018

Serge Klarsfeld
Die Erinnerung lebendig halten

Heinrich Bleicher-Nagelsmann
„Dann wird das Vergangene abermals zur Gegenwart“. Überlegungen zu Erinnerung, Vergessen und Zukunft

Hans-Ernst Böttcher
Recht und Gedenken. Wie sollen wir in unserer Gesellschaft heute mit der Erinnerung an die NS-Taten umgehen?

Arno Münster
Die „jüdische Fluchtburg“ Saint-Martin-Vésubie. Eine Episode der „Vergessenen“ der Shoah

Arno Münster
Nizza unter der italienischen und deutschen Besatzung (1942–1944). Ein Gespräch

Annette Stock
Gedenken eines Aufschubs – Aufschub des Gedenkens? „Les Juifs de Saint-Martin-Vésubie“

Arno Münster
Philosophische Nachbemerkungen zum Thema Erinnerungskultur. Eine Auseinandersetzung mit Paul Ricoeur

Irene Scherer, Welf Schröter
Ungleichzeitigkeiten im Jetzt. Synergien der Erinnerung – Dialektik der Erinnerung

Bundesweite Gedenkstättenkonferenz
Gedenkstätten zur Erinnerung an die NS-Verbrechen in Deutschland rufen zur Verteidigung der Demokratie auf

 

„Die wesentliche Frage lautet dabei: In welcher Welt wollen wir leben? In einer, in der die einfachen und oft herabsetzenden Antworten genügen? In einer Welt, in der andersgläubige, andersaussehende, andersdenkende und anderslebende Menschen ausgegrenzt und diskriminiert werden? In einer Welt, in der ausgelöscht wird, was nicht gefällt? Oder in einer Welt, in der wir einander in unserer Vielfalt mit Respekt und Würde begegnen und demokratische Verfahrensweisen unsere Leitlinie darstellen? Das barbarische System des Nationalsozialismus hat uns gezeigt, wie es nicht gehen kann und darf. Es war der Hass, der alle Handlungen geleitet hat. Und es ist auch heute wieder die Ideologie des offen gelebten Hasses, die so viele verblendet.“ (Muhterem Aras)

 

„In der Demokratie kann man das Denken nicht delegieren und den Experten, Performern oder Demagogen überlassen. ‚Empört Euch!‘, hat uns der 93-jährige Stéphane Hessel zugerufen. Sein Manifest wurde millionenfach verkauft. Das war vor acht Jahren. Inzwischen hat die Empörung die Seiten gewechselt, und das auf der ganzen Welt. Es stimmt, dass Demokratien durch Streit und Debatten gestärkt werden, aber auch in ihnen steht nicht alles zur Disposition. Es muss unstrittige Überzeugungen und einen Grundkonsens geben wie die Verfassung, die Menschenrechte und die Gewaltenteilung mit der Unabhängigkeit des Rechts und der Medien. Denn nicht jede Gegenstimme verdient Respekt. Sie verliert diesen Respekt, wenn sie darauf zielt, die Grundlagen für Meinungsvielfalt zu untergraben. Demokratie lebt nicht vom Streit, sondern vom Argument.“ (Aleida Assmann, Jan Assmann)

 

„Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland von 1949 (jetzt, nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten und nach dem Zwei-plus-vier-Vertrag in der Fassung von 1990) ist ein wichtiges Dokument der Erinnerung. Es setzt die liberale westeuropäische Verfassungstradition fort. Es führt Elemente freiheitlichen anglo-amerikanischen Rechtsdenkens und ein Bundesverfassungsgericht ein. Vor allem aber ist es geradezu eine Revolution im Recht: Die Architektur der Verfassung wird umgekehrt: Nicht mehr die Staatsraison steht obenan, vielmehr muss sich diese an den Grundrechten der Bürger messen lassen. Diese sind nun, wie die Formulierung der Grundrechte im Einzelnen zeigt (vgl. nur beispielhaft Art. 4 I GG zur Religionsfreiheit, Art. 6 zu den Elternrechten in der Erziehung der Kinder, Art. 7 zum Verhältnis von Elternrechten und Staatsaufgaben im Schulwesen, Art. 8 zur Versammlungsfreiheit), in direkter Auseinandersetzung mit dem autoritären Unrechtsstaat des NS formuliert und sollen die Entfaltung einer pluralen Gesellschaft ermöglichen. Dabei sind die Respektierung der Menschenwürde (Art. 1 I GG) und der Gleichheitssatz in all seinen Facetten (Art. 3 GG) von zentraler Bedeutung.“ (Hans-Ernst Böttcher)

 

„Dies ist jedoch längst nicht mehr ein nur ‚deutsches‘, sondern vielmehr ein europäisches Phänomen. Gerade deshalb ist es wichtig, heute im europäischen Rahmen, zu einem Zeitpunkt, wo die Flucht der Migranten aus den ärmsten Ländern Asiens und Afrikas in die ‚Wohlstandsfestung‘ Europa unverändert anhält und wo das Mittelmeer inzwischen zum Friedhof für Tausende von Migranten geworden ist, die von den Rettungsdiensten nicht mehr rechtzeitig ‚aufgefischt‘ werden konnten, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und insbesondere den Antisemitismus in allen seinen Varianten zu bekämpfen und durch eine breite Mobilisierung der Öffentlichkeit in den 28 Mitgliedsstaaten der EU dafür zu sorgen, dass diese Migranten und Asylsuchenden menschenwürdig aufgenommen und behandelt werden. Dass so viele freiwillige Helfer, die sich spontan und aus humanitären Gründen entschlossen hatten, den Migranten beim Grenzübertritt und ihren ersten Schritten in einem anderen Land zu helfen, deswegen von der Justiz (wie z.B. in Frankreich) wegen eines ‚Solidaritätsdelikts‘ angeklagt und verurteilt werden, ist ein Skandal, der nicht so ohne weiteres hingenommen werden kann.“ (Arno Münster)

 

„Siebzig Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes und der darin verankerten Menschen- und Bürgerrechte ist es erneut erforderlich, sich der zentralen Aussage von Artikel 1 der Verfassung zu besinnen: ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar.‘ In diesem Satz findet sich eine radikale ethische Positionsbestimmung. Es heißt nicht, unantastbar sei die weiße oder europäische Würde. Der Satz beschränkt die Würde nicht auf Passbesitzende oder Wahlberechtigte. Die nüchterne Radikalität der Aussage meint die Würde jedes Menschen, egal welcher Hautfarbe, egal welcher religiöser Überzeugung, egal welchen Geschlechts, egal welcher sexueller Orientierung, egal welchen Alters und egal welcher Kultur. In diesem kurzen Satz bündeln sich die politischen und geschichtlichen Erbschaften zivilgesellschaftlicher Entwicklungen. Dieser Satz war und ist die entscheidende Antwort auf Auschwitz. Siebzig Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes wollen Kräfte in unserer Gesellschaft hinter den Stand erreichter Demokratie, erreichter Rechtsstaatlichkeit und erreichter Humanität zurück. Nicht mehr das Recht der Gleichheit, nicht mehr die Bürger- und Menschenrechte sollen die Grundregeln des Zusammenlebens bilden. Sondern biologische Herkunft, ein vermeintliches Primat des Blutes und ein rückwärtsgewandtes nationales Denken sollen Vorrang haben vor dem ethischen Grundgebot: ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar.‘ Als Verlegerin und Verleger wollen wir mit diesem Buch unsere Stimme für die Verteidigung der Würde des Menschen erheben. Wir wollen mit einer Sammlung von Beiträgen verschiedener Autorinnen und Autoren unterstreichen, welche Bedeutung dem Wort zukommt und welche große Rolle die öffentliche Erinnerungsarbeit für die Stärkung und Verteidigung der Demokratie einnimmt.“ (Irene Scherer, Welf Schröter, aus dem Vorwort)